An dieser Stelle würden wir Ihnen gerne die Geschichte eines Erfinders präsentieren, der durch sein fundiertes Wissen der Ophthalmiatrie die erste Brille erfand. Doch leider suchten wir ihn vergeblich. Statdessen fanden wir Anachronismen und gezielte Irreführungen.
So wird dieser Artikel mehr eine Abhandlung darüber, wer sich nicht mit den Lorbeeren der Erfindung der Brille schmücken darf. Auch wenn es in so manchen Zeitzeugnis so dargestellt wird, als wären sie allesamt die Erfinder der Brille.
Schenken wir Bildnissen der Mailänder Schule Glauben, so dürfte die Brille schon sehr alt sein. Zeigen sie doch schon das kleine Christuskind mit Brille. Aber auch andere Persönlichkeiten wurden mit ihr verewigt. So beispielsweise der Apostel Petrus oder der biblische Moses. Es steht ausser Frage, dass es die Maler des 15. bis zum 17. Jahrhundert nicht so genau mit der Realität nahmen. Es interessierte sie wenig, ob es in dieser Zeit bereits Brillen gab. Vielmehr nutzten sie die Brille als ein Stilelement, um beispielsweise Weisheit auszudrücken. Es versteht sich von selbst, dass dementsprechend Gemälde kein gutes Zeugnis darüber ablegen, wann und wo die Brille zuerst auftauchte.
Wurde die Brille in Indien erfunden?
Die Behauptung, die Brille würde aus Indien stammen, ist schon sehr weit hergeholt. So weit, dass es uns geradezu schleierhaft erscheint, wie jemals auch nur eine Person Zeit für diese Idee verschwenden konnte. Denn der einzige Hinweis ist ein sprachlicher Hinweis. Und dieser sprachliche Hinweis ist wiederum so weit hergeholt, dass man schon sehr viel Phantasie besitzen muss, um ihn zu folgen.
So schreibt H. Oppert, das Wort Brille wäre vom hinduistischen Balunya abgeleitet, was soviel wie Beryll bedeutet. Die Bezeichnung für einen Halbedelstein. Im persischen heisst es dann Billur, woraus sich das griechische Wort Beryllos gebildet haben soll.
Nun, selbst wenn wir dieser Herleiung folgen, bedeutet eine Wortherkunft längst nicht, dass auch die Brille selbst dort erfunden wurde. Zumindest stützt diese These kein weiteres Argument, so dass wir sie getrost verwerfen können.
Vertreter dieser These wichen dann auch recht schnell auf China aus und erklärten die Brille als eine chinesische Innovation oder als Erfindung, die von Indien nach China kam.
Stammt die Brille aus China?
Man mag den Chinesen nun vieles nachsagen. Doch eines taten sie in der Vergangenheit so gut wie nie. Sich mit fremden Federn schmücken. Und so wird im Fall der Brille auch ganz klar formuliert, dass sie nicht aus China stammt. So heisst es in einem Werk von Fang yü shêng lio, dass die ersten Brillen im 16. Jahrhundert aus Mulakia importiert wurden. Es liegt sehr nahe, dass Malakka als Umschlagplatz diente und die Brillen zu dieser Zeit aus Europa kamen. Kaum jemand dürfte annehmen, dass das in Indien liegende Mulakia, den Ursprung der Brille darstellt. Zumal es bereits Nachweise gibt, nach denen die ersten Brillen bereits am Ende des 13. Jahrhunderts in Italien auftauchten.
Die Brille als Erfindung diverser Heiliger
Es gibt unzählige Heilige, welche die Brille erfunden haben sollen. Der wohl bekannteste Vertreter ist der heilige Hieronymus. 340 nach Christus geboren hätte ihm die Brille in seinem biblischen Alter von 80 Jahren sicher gut gestanden. Wenn es sie denn schon gegeben hätte. Bei den Bildern, die den heiligen Hieronymus darstellen, handelt es sich wieder um die eingangs angesprochenen Anachronismen. So eine Brille unterstützte das respektable Alter und die Weisheit des heiligen Hieronymus. Maler wie Domenico Ghirlandajo, Quentin Metsys oder José Ribera nutzten die Brille dementsprechend lediglich als Stilmittel.
Bei anderen Heiligen darf es bezweifelt werden, dass sie jemals als geschichtliche Personen existierten. So beispielsweise der Heilige Fridolin. Andere wiederum hinterliessen nicht ein einziges Dokument, das die Behauptung, sie wären der Erfinder der Brille, stützen könnte. So beisielsweise Richard von Wallingford.
Ebn el Heitham
Der sarazenische Mathematiker, Astronom und Mediziner, Ebn el Heitham, fälschlich Alahzan genannt, kann zwar kaum als der Erfinder der Brille benannt werden. Jedoch bildete sein Werk, “Optice thesaurus”, sicher einen Meilenstein, wenn nicht sogar den Grundstein, auf dem Weg zur Erfindung der Brille. Seine Übersetzung ins Lateinische, durch Vitello, stammt aus dem 13. Jahrhundert. Darin heisst es: Ein gläsernes Kugelsegment könne dazu dienen, einen Gegenstand vergrößert erscheinen zu lassen.
Sie ist sicher auch dem englischen Mönch Roger Bacon nicht unbekannt gewesen, den man versucht hat, als Erfinder der Brille darzustellen.
Roger Bacon
Roger Bacon war ein englischer Mönch und Gelehrter. Sein veröffentlichtes Hauptwerk “Opus majus”, 1267 von ihm verfasst, führte zum Verbot seiner Schriften durch Papst Nikolaus den III. Bacon wurde verhaftet und in den Kerker gesperrt, wo er bis zum Tode des Papstes verblieb.
In seinem Werk schrieb Bacon: Nimmt man ein Kugelsegment von Kristall oder Glas, und ist die Höhe des Segmentes kleiner als der Radius, und legt man die ebene Seite auf Buchstaben, so sieht man diese Buchstaben und kleinere Gegenstände größer, während man die konvexe Seite dem Auge zukehrt. Denn das Auge ist dann gleichsam im dünneren und der Gegenstand im dickeren Medium zwischen Zentrum und Auge. Also ist der Sehwinkel größer und auch das Bild ist größer und das Auge näher. Deshalb gibt dies ein vorzügliches Instrument für alte Leute und solche, die schwache Augen haben, denn sie können damit noch so kleine Buchstaben in genügender Größe sehen.
Aus den Schriften Bacons geht ganz klar hervor, dass er keinerlei praktische Erfahrungen gesammelt hatte, sondern sich lediglich auf die Schriften von Ebn el Heitham bezog. Was allein schon dadurch deutlich wird, dass er seitenweise Auszüge von Ebn el Heitham anführt, ohne jedoch den Urheber Alhazan zu nennen.
Bacons Beitrag war dann auch mehr ein phantasievoller Beitrag. Einer der die Vorstellung anregt. Ähnlich wie ein Jule Verne dazu anregte, auf den Mond fliegen zu wollen. Als Erfinder der Brille scheidet er jedoch aus. Und mit ihm auch die Geschichte um Heinrich Goethals, der die durch Bacon erfundene Brille nach Italien gebracht haben will.
Carlo Dati, Francesco Redi, Domenico Maria Manni und C. A. Manzini
In den Briefen und Büchern dieser vier Personen finden sich die ersten Arbeiten über die Erfindung der Brille. Dabei ist es ein Brief von Carlo Dati, der den ältesten Ursprung bildet, denn die anderen Quellen nehmen Bezug auf den Brief von Dati. Allerdings sollten Sie als Leser nicht dem Irrtum aufsitzen, Dati selbst hätte etwas mit der Erfindung der Brille zu tun. Er war ein florentinischer Akademiker. 1619 geboren ist sein Verdienst darin zu sehen, dass er alles zusammengetragen hatte, was mit der Erfindung der Brille zu tun hat. Doch den Erfinder der Brille konnte keiner von ihnen ausmachen. So heisst es im L’occhiali all’occhio von Manzini, der übrigens das biblische Alter von 100 Jahren erreicht hatte: Soviel Mühe ich mir auch gegeben habe, den ersten Erfinder der Brille, welche man auf der Nase trägt und welche ich die einfache nenne, zu finden, so war es doch nicht möglich, von ihm eine Spur zu entdecken.
Wer hat nun die Brille erfunden?
Es wird wohl niemals geklärt werden können, wer die Brille erfunden hat. Allerdings können wir recht genau sagen wann und wo sie erfunden wurde. Die Zeit lässt sich ziemlich genau auf die Zeit zwischen 1270 bis 1280 datieren. Dafür sprechen etliche Hinweise. So beispielsweise eine Predigt, die Fra Giordano di Rivalto am 23. Februar 1305 in Florenz hielt. Darin heisst es: Es ist noch nicht 20 Jahre her, dass man die Kunst, Brillen zu machen, erfand, durch die man besser sieht.
Ein Erlass aus den venezianischen Staatsarchiven von 1300 verbietet gutes Kristallglas durch ordinäres weißes Glas zu ersetzen. Womit wir auch dem Ort der Erfindung nahe kommen. Er wird in Murano, bei Venedig liegen. Hier fand sich nicht nur die fortschrittlichste Glasindustrie der damaligen Welt, sondern es finden sich auch die ältesten Quellen für die Brille.
Als Erfinder glaubte man Salvino degli Armati ausgemacht zu haben. Doch der erwies sich als Fälschung des 17. Jahrhunderts. So wird der eigentliche Erfinder wohl unbekannt bleiben. Es bleiben Namen wie Alhazan oder Bacon, die den Grundstein für die Erfindung gelegt haben. Hin zu einem Erfinder, der ungenannt bleiben wollte.